Wer die Sprache der Liebe spricht, braucht keine Worte!
Bisexuell / Das erste Mal / Junge Männer / Muskeln / Romantik
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Diese Geschichte ist allen Ehrenamtlern und Vertriebenen gewidmet, die seit Monaten täglich mit Leid und Sorgen konfrontiert werden. Das Leben ist schon schwer genug! Da ist kein Platz mehr für Krieg und Gewalt! So schwer die Zeiten auch für alle Beteiligten sind möchte ich, da ich auch Ehrenamtler bin, zeigen, dass Liebe und Leidenschaft in diesen Zeiten möglich und nötig sind! Gebt niemals auf mitzufühlen und zu lieben!

 

*

‚DING DONG: ACHTUNG! EINFAHRT DES SONDERZUGES AUS POLEN AUF GLEIS 9! BITTE NICHT ZUSTEIGEN!‘

Hätte man mir vor einigen Jahren, ja sogar noch vor einigen Monaten gesagt, dass nach der Pandemie ein Krieg in Europa ausbrechen würde – ich hätte es wahrscheinlich nicht geglaubt, ich hätte lachend abgewinkt und denjenigen für verrückt erklärt. Aber wie so oft in der Geschichte stehen wir nun mit entsetzten Gesichtern da und können das, was passiert nur schwer in Worte fassen. Dabei ist es so leicht! Panzer rollen, Raketen fliegen und Menschen sterben! Die Frage nach dem Warum kann nur derjenige beantworten, der diesen Krieg begonnen hat, aber das soll nicht Thema meiner Geschichte werden.

Mein Name ist Richard und ich bin Sanitäter beim Katastrophenschutz! Ich mache diese Arbeit ehrenamtlich und aus Überzeugung. Aus Überzeugung meinem Land einen Dienst zu erweisen neben meinem Medizinstudium. Einerseits sammle ich Erfahrung im Einsatz und kann mein Wissen aus dem Studium einbringen, anderseits sehe ich es als Ersatz für den Zivildienst. Seit mehreren Jahren bin ich schon Mitglied, obwohl ich gerade erst 20 Jahre alt bin.

Als der Krieg in der Ukraine ausbrach habe ich mir nicht sofort Sorgen gemacht, dachte der Krieg würde sich auf den Osten der Ukraine beziehen, doch nach einigen Monaten sind wir nun alle schlauer. Millionen Menschen sind auf der Flucht, Tausende gestorben und eine Welt ist entsetzt darüber, dass so etwas in einem zivilisierten und demokratischen Europa des 21. Jahrhunderts möglich ist.

Wenn wir von Krieg sprachen meinten wir meist einen der Weltkriege, die nun bald einhundert Jahre zurückliegen und von denen wir gelernt haben. Von denen wir dachten, dass jeder von ihnen gelernt hatte, doch so war es anscheinend nie und wird es auch nie werden. Aber wenn wir nun von Krieg sprechen, dann müssen wir erklären, welchen wir meinen, da wir bedauerlicher Weise wieder in einen involviert wurden. Seit vielen Jahrzehnten tobt auf dieser Welt ein Kalter Krieg, der immer wieder Bürgerkriege befeuert oder Stellvertreterkriege aufflammen lässt. Und dieser Kalte Krieg hat auch nie geendet, denn es gibt immer noch die Großmächte, die sich historisch uneinig sind und ihre Kräfte auf dieser Welt messen.

Was ich eigentlich damit sagen will: Krieg ist scheiße und ich war ziemlich überrascht, so wie viele Menschen, vor allem auch aus meiner Generation, die nun Angst davor hatte aktiv in den Krieg zu müssen, vor einer möglichen Wehrpflicht oder einem Einsatz im Kriegsgebiet. Spätestens als dann die ersten Flüchtlinge in Polen und Deutschland eintrafen kam dann der Sanitätsdienst zum Einsatz.

Und so stand ich nun da auf einem der größtes Bahnhöfe der Republik, in meiner orangen Uniform und wartete darauf wieder tausende von Menschen aufzunehmen, zu versorgen und willkommen zu heißen. Bedächtig langsam rollte der Zug ein. Es war immer ein mulmiges Gefühl zu wissen, dass diese Menschen alles verloren hatten, ihr Zuhause, ihre Freunde, ihr Leben! Auch wenn sie noch am Leben waren – sie hatten ihr altes verloren, mussten tausende Kilometer fliehen, um sich und ihre Familie, ihre Kinder, ihre Liebsten in Sicherheit zu wiegen.

Die ersten Wagons zogen an mir vorbei. Wagons voller Menschen – voller eng aneinander gepresste, müde und völlig verunsicherte Menschen. Was musste sie fühlen, wenn mir schon mulmig war auf einem Bahnsteig voller Sanitäter, Dolmetscher und Polizisten?

Langsam bremste der Zug ab. Bremsen quietschten und der Zug blieb stehen. In den Wagons brach Unruhe aus. Die Menschen wollten raus. Sie wollten ihr Gefängnis verlassen, in die Freiheit zurück, an die frische Luft und einfach nur ankommen! Sie zerrten an ihrem Gepäck, ihren Koffern, die so schwer waren wie Beton, die jedoch alles waren, was von ihrem alten Leben übriggeblieben war. Manche nahmen ihre Haustiere mit, andere Bilder. Ein Arzt schleppte sein Ultraschallgerät mit, ein kleines Mädchen ihre Puppe und wieder andere hatten fast gar nichts außer einer Handtasche und ihre Papiere.

 

Wir stellten uns vor die Türen, die immer noch verschlossen waren. Hinter uns bildete sich eine Polizeikette, welche die Papiere kontrollieren und die Flüchtlinge zählen sollte. Ich musste unweigerlich an vergangene Zeiten denken und mich bedrückte dieses Gefühl, dass wir den Menschen unglaubliche Angst machen mussten mit unseren Uniformen, mit den Pistolen der Polizisten und ihren dicken Westen.

Ächzend gingen die Türen auf und aus den Wagons drang ein Geruch nach draußen, der mit nichts zu vergleichen war. Ihn zu beschreiben fällt mir nicht leicht, denn es war kein richtiger Gestank! Es war viel mehr der Geruch von Menschen, die 14 Stunden lang auf engstem Raum schwitzten, schliefen, atmeten, aßen und ihr Geschäft verrichteten. Es war der Geruch von Menschen die sich mitunter eine Woche lang nicht waschen konnten, die krank waren oder ihre Haustiere mitbrachten, die ebenso arm dran waren!

Ich schaltete ab und begann hunderte an Koffer aus den Wagons zu hieven und Menschen über die letzte Stufe in die Freiheit zu entlassen. Dankbar und sichtlich erschöpft schauten uns die Menschen an. Manche bedankten sich, andere schauten uns verunsichert an, schauten mit großen Augen auf die Polizisten und ihre Koffer, die sie unter keinen Umständen verlieren wollten. Als der Wagon sich leerte ging ich mit meinem Kollegen durch die Reihen und schaute nach Verletzten, zu Erschöpften oder Vergessenen. Es waren Bilder und Eindrücke die ich wohl nie vergessen werden und von denen ich wohl in 80 Jahren berichten werden, wenn ich von einer ZDF-Dokumentation befragt werden. Aber vor allem der Geruch wird bleiben. Der Geruch von Angst und Leid!

*

Nach dem die erste Welle von Flüchtlingen war der Bahnsteig bereits gut gefüllt. Viele der Flüchtlinge ruhten sich aus, aßen und tranken etwas oder wussten einfach nicht wohin! Viele Freiwillige halfen bei der Versorgung und Übersetzung, sodass immer mehr die Weiterfahrt mit den Bussen oder Regionalbahnen auf sich nahmen.

Derweilen machte ich mich auf den Weg zu unserem Sanitätsstützpunkt, wo wir nun begannen die verletzten oder erschöpften Flüchtlinge zu behandeln. Mehrere Zelte boten Platz für dutzende Behandlungskabinen. Ärzte, Krankenpfleger und Rettungsdienstler, aber auch Ehrenamtler behandelten hier die Flüchtlinge.

Nachdem ich mich einigermaßen von den ersten Strapazen erholt hatte, etwas getrunken und mit Kollegen gequatscht hatte, bekam ich vom Gruppenführer eine Kabine zugewiesen:

„Hey Richard! Patient für dich in Kabine 5! Brauchst kein Dolmetscher, der kann Englisch!“

Sofort machte ich mich auf den Weg. DER kann Englisch! Ein Mann also? Oder ein Junge? Tatsächlich war es eine Seltenheit Männer und Jungen unter den Geflüchteten zu finden. Sie durften ihr Land nur unter wenigen Umständen verlassen. Minderjährige, Kranke oder junge Väter!

Bereits auf dem Weg zum Behandlungsplatz machte ich mir darüber Gedanken, was ihm wohl fehlen würde. Wahrscheinlich war es eine Angewohnheit von jedem Retter bereits vor dem Eintreffen alle Möglichkeiten zu evaluieren und dann so manches Mal doch überrascht zu werden. Ich trat in die Kabine ein und sofort durchfuhr mich der Blitz. Aus der professionellen Anspannung wurde kribbeliger Starkstrom, der sich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Wie elektrisiert schaute ich auf die Patientenliege.

Auf dieser saß ein junger Mann, kaum älter als ich. Als er mich bemerkt fuhr er sich schnell mit den Händen durch sein Gesicht. Verunsichert schaute er mich an. Ich konnte sofort sehen, dass er geweint hatte. Seine eisblauen Augen waren sehr gerötet und zerrissen mir fasst das Herz. Mein Blick schweifte über seinen Körper. Zum einen, weil ich mir einen Überblick über meinen Patienten verschaffen musste und zum anderen, weil ich sehen wollte, wie dieser Mann aussah, der bereits mein Herz höherschlagen ließ.

Er war bildschön. Ein Mann, der zu anderen Zeiten sicher Herzen gebrochen hatte! Doch nun hatte der Krieg ihn gebrochen. Sein strohblondes Haar war raspelkurz geschnitten. Staub und getrocknetes Blut verschmierte sein ganzes Gesicht. Doch ich erkannte trotzdem die Sommersprossen, die seine Wangen umspielten, die zarten Augenbrauen, die ebenfalls strohblond waren und die kleine flache Nase, die fast typisch für Osteuropäer war. Seine Kinnpartie war kantig und ein Dreitagebart verlieh ihm die gewisse Männlichkeit. Doch am besten gefielen mir die rosigen Lippen – diese vollen, begehrenswerten Lippen.

 

Ich konnte keine Verletzungen im Gesicht erkennen. Mein Blick fuhr weiter über ihn. Er trug ein Flanellhemd, welches deutlich verschmutzt war. Neben ihm lag eine Steppjacke. Seine Schulter pressten sich an den Stoff und dehnten diesen. Anscheinend war er trainiert. Auch die Oberarme ließen auf mehr hoffen! Die Beine wurden von einer Arbeitshose bedeckt, welche trotz ihrer Weite an den Oberschenkeln anlag. Da er die Ärmel des Hemdes leicht hochgekrempelt hatte, konnte ich neben den goldblond behaarten und adrigen Unterarmen einen Verband ausmachen.

Mittlerweile war es recht eng in meiner Hose geworden, was bei schönen männlichen Patienten nicht unbedingt eine Seltenheit war. Ich war jung und im besten Mannesalter, doch ich konnte mich bisher immer beherrschen und vor allem bei den Einsätzen mit Vertriebenen wollte ich mich erst recht bemühen! Doch dank der weiten Einsatzhose konnte ich meine Beule gut verstecken und so begann ich auf Englisch mit meinem Patienten zu sprechen:

„Hey, mein Name ist Richard! Wie heißt du?“ versuchte ich einen ersten Kontakt aufzunehmen.

Immer noch schaute er mich ängstlich an. Erst langsam holte er Luft und öffnete zaghaft die Lippen:

„Ich heiße Evgeny!“ hauchte er mir entgegen.

Seine Stimme klang fast noch jugendlich. Nur der zart brummende Bass verriet, dass er bereits volljährig sein musste. Ich schnappte mir das Protokoll, setzte mich ihm gegenüber auf einen Hocker und begann mit der Befragung:

„Das ist ein schöner Name! Wie alt bist du?“

„22 Jahre!“ antwortete er kleinlaut. Fast schon so, als wäre es verboten.

Ich schaute ihm in die Augen und er versuchte meinem Blick auszuweichen. War es ihm unangenehm, dass ihn ansah? Dass ich ihn befragte? Oder schämte er sich dafür hier zu sein und nicht für sein Land zu kämpfen, wie so viele andere junge Männer?

Wann immer ich in die Gesichter der Vertriebenen sah, dann waren es meist die Blicke der Männer, die mich am meisten betroffen machten. Nicht weil ich schwul war und sie gern trösten wollte, sondern weil so viel Scham, so viel Selbstverachtung und so viel Angst in ihren Blicken war! Hatte sie Angst vor Verurteilung? Davor, was die anderen über sie dachten?

Vor allem die älteren Jungen, die kurz vor der Volljährigkeit standen und von ihren Familien mitgenommen wurden, die jungen Familienväter, die ihre Familie nicht im Stich lassen wollten fühlten sich am meisten fehl am Platz. Man sah ihnen förmlich an, dass sie umkehren wollten, doch niemand hatte es verdient in diesem unrechten Krieg zu sterben.

Nicht Alt und auch nicht Jung. Nicht Männer und auch nicht Frauen. Erst recht nicht unschuldige Kinder. Und trotzdem sah man jeden Tag die herzzerreißenden Bilder auf den frischen Gräbern. Von jungen Soldaten, die mitunter jünger waren als ich, von Kindern und von Frauen. Noch mehr machte es mich fertig, die vielen Massengräber zu sehen, in denen tausende Menschen, tausende Leben verschwanden. Ohne Namen, ohne Gedenken! Dafür verachtete ich jede Rakete, jeden Kriegstreiber und jeden, der auf zivile Gebiete, auf friedliche Menschen schoss!

„Bist du allein hier?“ führte ich meine Befragung weiter.

Er schüttelte den Kopf. Tränen rollten über sein Gesicht und er schluchzte auf. Es kam aus tiefstem Herzen, dass spürte ich! Ich spürte, wie die Trauer in ihm hochkam und ich verfluchte mich jetzt schon dafür, diesen Schmerz in ihm ausgelöst zu haben. Schnell wischte er sich wieder die Tränen aus dem Gesicht. Anscheinend wollte er nicht, dass ein anderer Mann, dass ich ihn weinen sah.

Er räusperte sich und antwortete mir: „Ich bin mit seinem Sohn Artem hier! Er ist die einzige Familie, die ich habe!“

Entsetzt schaute ich ihn an. Sofort wurde mir bewusste, warum er sein Land verlassen durfte. Er war allein auf dieser Welt. Nur sein Sohn blieb ihm und um den musste er sich nun allein kümmern. Immer noch rollten die Tränen über die Wangen und er war damit beschäftigt sie wegzuwischen. Anscheinend hatte ich einen wunden Punkt getroffen, denn er begann sich mir zu öffnen und erzählte mir von sich:

 

„Vor dem Krieg hatte ich eine Frau! Wir kannten uns seit der Schule! Wir waren glücklich und haben nach der Schule sofort ein Baby bekommen! Sie war Verkäuferin und ich habe in Odessa bei der Bahn gearbeitet. Doch dann kam der Krieg und ich verlor meine Arbeit! Keine Züge fuhren mehr. In der Stadt gab es kaum essen und wir konnten es uns kaum leisten! In den ersten Tagen kämpfte ich noch mit und verteidigte Mariupol! Mein Land!“

Er machte eine Pause und holte tief Luft. Immer wieder rollten Tränen über seine Wangen und die Augen waren mittlerweile total verweint. Er brauchte im Moment einfach nur einen Zuhörer, jemand mit dem er reden konnte und dieser jemand war ich! Ich saß einfach nur da und traute mich nicht zu rühren. Ich hörte ihm zu und musste selbst mit den Tränen kämpfen!

Nach einigen Sekunden der Stille fuhr er fort: „Dann schlugen die ersten Raketen auch in Odessa ein. Sie trafen unser Haus!“ schrie er fast.

Nun gab es kein Halten mehr. Einige Kollegen schauten besorgt in meine Kabine. Ich winkte ab. Dieser Mann brauchte seine Ruhe, eine Vertrauensperson und jemand der ihm zuhörte.

„Alle waren tot! Meine Frau, meine Eltern und ihre Eltern! Alle! Nur mein Baby hat es überlebt! Er lag im Kinderkrankenhaus! Zwei Wochen! Dann habe ich ihn mitgenommen und wir sind geflohen! Ein Tag später sind die Raketen auch in das Krankenhaus geflogen und haben unschuldige Kinder getötet! Sie haben die ganze Stadt zerbombt!“

Er weinte unentwegt. Ich konnte und wollte ihn nicht unterbrechen. Diese Trauer musste raus. Die Wut und die Verzweiflung. Es war gut, dass er das an mir auslassen konnte. Er musste nun stark sein in den nächsten Wochen und Monaten. Stark für seinen Sohn und ihr neues Leben!

„Eine Woche sind wir geflohen, um hier zu leben! In Deutschland! In Frieden und Sicherheit!“ beteuerte er: „Wir wollen keinen Krieg! Wir wollen einfach nur ein normales Leben!“

Langsam beruhigte er sich und wischte sich letzte Tränen aus dem Gesicht. Er schaute mich an und sah wie verzweifelt und erschrocken ich war. Tränen rollten über mein Gesicht, die ich leider nicht mehr zurückhalten konnte. Es war zu viel! Dieser Mann hatte fast alles verloren. Einzig allein sein Sohn hielt ihm am Leben!

„Sorry!“ sagte er entsetzt, als er mich ansah und bemerkte, dass sein Schicksal auch mich traf!

Für einen Moment kehrte Ruhe ein! Wir sahen uns tief in die Augen und versuchten uns zu beruhigen, versuchten die letzten Minuten zu verarbeiten, doch es viel uns beiden sichtlich schwer. Ich räusperte mich und versuchte wieder zurück zu meinem ursprünglichen Plan zu finden. Ihm zu helfen!

„Es tut mir leid! Es tut mir leid, was dir und deinem Sohn widerfahren ist! Aber egal was ich sage, es wird dir nicht helfen. Ich kann leider nicht die Zeit zurückdrehen, aber ich möchte dir sagen, dass es mir leidtut!“ meinte ich mit betroffener Stimme.

Er nickte krempelte den rechten Ärmel weiter hoch: „Ich habe mich auf unserer Flucht an einem Stück Metall geschnitten. Es tut sehr weh!“ meinte er.

Der Verband, der zum Vorschein kam, war sehr notdürftig gemacht worden und deutlich verdreckt. Ich zögerte nicht lang und begann mit der Vorbereitung für eine Wundbehandlung. Wundauflagen, Wunddesinfektion, ein neuer Verband und Tupfer legte ich mir bereit.

Langsam trat ich auf Evgeny zu und schaute abwechselnd zu ihm und auf seinen Arm.

„Ich werde den Verband neu machen und mir die Wunde anschauen!“ meinte ich und begann den Verband abzuwickeln.

Bereits nach kurzer Zeit wurde es unschön und ich möchte euch die Details ersparen, aber es war eben eine entzündete Wunde, die unterversorgt und typisch für Kriegsverletzungen war. Ich entschied mich einen Arzt dazu zu holen. Unter Betäubung säuberten wir die Wunde und nähten sie. Nach einer halben Stunde war ein neuer Verband drum und die Torturen vorbei. Ich schrieb das Protokoll fertig, während eine Kollegin mit einem kleinen blonden Jungen hereinkam.

Es war Artem, der ebenfalls neue Verbände um Arme und den Kopf hatte. Er schaute mit großen blauen Augen an. Anscheinend hatte er ebenfalls geweint und war sichtlich müde. Evgeny setzte sofort ein gequältes Lächeln auf und begrüßte seinen tapferen Helden. Wieder war ich den Tränen nahe. Nachdem er das Protokoll unterschrieben hatte und vom Arzt ein Rezept bekam war der Moment des Abschieds gekommen.

 

Evgeny und ich standen uns gegenüber und keiner wusste so recht was er sagen sollte. Nach einigen peinlichen Sekunden kam er auf mich zu und umarmte mich:

„Danke!“ murmelte er und drückte sich fest an mich. Ich drückte mich ebenso fest an ihn und wollte ihm Geborgenheit schenken! Wir beide seufzten und genossen diesen Moment des Friedens. Ich wusste, dass ich ihm ein Stück seines Leids genommen hatte und sicherlich der erste war, mit dem er über diese Erlebnisse sprach. Nach einer Ewigkeit lösten wir uns voneinander.

„Wo wollt ihr jetzt hin?“ fragte ich ihn, in der Hoffnung ihn nicht so schnell allein lassen zu müssen.

„Wir wollen in Berlin bleiben!“ meinte Evgeny: „Ich habe Maschinenbau studiert und möchte hier Arbeit finden, in einer großen Stadt!“

„Warum nicht in Hamburg? Da gibt es viel Güterverkehr?“ fragte ich und hätte mich am liebsten selbst geohrfeigt. Wie konnte ich diesen Mann anbieten soweit wegzuziehen?

Doch Evgeny schüttelte den Kopf: „Nie wieder Güterverkehr! Ich will einen kompletten Neuanfang! Ich möchte hier in Berlin arbeiten und leben!“

„Das könnte schwierig werden!“ meinte eine Kollegin aus dem Betreuungsdienst: „Alle Erstaufnahmelager in Berlin sind voll. Wir vermitteln nur noch Privatleute oder Weiterfahrten!“

Evgeny sank in sich zusammen. Noch ein Rückschlag, noch ein Stich in sein gebrochenes Herz. Ich spürte, wie er begann aufzugeben. Doch dass konnte ich nicht zulassen. Ich konnte die beiden nicht ihrem Schicksal überlassen. Nicht nach dem, was sie bereits durchmachen mussten!

„Ihr kommt zu mir!“ beschloss ich: „Ich habe noch ein Gästezimmer! Das wird fürs erste reichen!“

Erstaunt schaute er mich erstaunt an und auch ich war erstaunt über mich. Damit hatte auch ich nicht gerechnet. Verdammt was machte ich da? Mein Herz spielte verrückt und schaltete den Verstand aus. Damit war Schluss mit feiern gehen und täglich wechselnde Bekanntschaften in meinem Bett. Ich war drauf und dran ein Kind samt Vater zu adoptieren.

„Das würdest du für uns tun?“ fragte mich Evgeny verblüfft.

Ich nickte bloß stumm und meine Gedanken rasten! Würde er das zulassen? Würde er sich bei mir wohlfühlen? Wie lang würde er bei mir bleiben? Wie schnell würde ich beide wieder verlieren? Wie würde er darauf reagieren, wenn er erfährt, dass ich schwul bin. Würde er etwas von mir wollen? Könnte ich mir das leisten?

„Aber du kennst uns doch gar nicht!?“ meinte er erstaunt.

„Aber ich möchte nicht, dass ihr weiter nach eurem neuen Leben suchen müsst! Ich möchte, dass ihr hier und heute ein neues Zuhause findet und zur Ruhe kommt!“ stellte ich fest.

Tränen traten in Evgenys Augen und er sagte zu. Ich freute mich so sehr, dass ich beinahe in die Luft gesprungen wäre. Es dauerte keine 10 Minuten und schon saßen wir in einem Einsatzwagen des Katastrophenschutzes auf dem Weg zu meiner Wohnung. Evgeny und Artem saßen auf der Rückbank. Er hielt seinen Sohn eng in den Arm und schaute sich die Stadt an. Es schien ihm zu gefallen, den immer wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht.

Manchmal trafen sich unsere Blicke im Rückspiegel. Während wir die ersten Male erschrocken wegschauten, waren die späteren tiefe innige Blicke verbunden mit einem seligen Lächeln.

Ich parkte das Auto mit Warnblinker auf der Straße. Mal wieder waren keine Parkplätze in Berlin frei. Vor allem, nicht einem Wohnviertel in Berlin Steglitz. Schon lange störten mich die tausenden Autos in dieser großen Stadt und ich fragte mich wohin die Menschen mit ihren Autos alle wollten. Aber schließlich war der Wagen ein Einsatzfahrzeug und somit berechtig auf der Straße zu parken. Schnell schloss ich den beiden meine Wohnung im Dachgeschoss auf. Es war ein Neubau. Schneeweiße Wände und viele Bilder an den Wänden. Sofort schämte ich mich für manche Bilder, die nackte Menschen zeigten, doch Evgeny schien es nicht zu stören.

Ich stellte seinen Weekender in das Gästezimmer und zog das Schlafsofa aus. Nach einigen Minuten war das Bett hergerichtet und beide konnten eine Menge Schlaf nachholen.

„Schlaft euch aus, geht duschen, nehmt euch frische Sachen aus meinem Schrank!“ meinte ich lächelnd: „Plündert den Kühlschrank und schaut Fernsehen!“

„Ich weiß gar nicht, wie ich mich jemals bedanken soll!“ meinte Evgeny voller Ehrfurcht.

„Das musst du nicht! Ich würde mich freuen, wenn ihr wieder glücklich werdet! Nimm dir so viel Zeit wie du willst!“ meinte ich: „Ich komme nachher wieder und bringe Kindersachen mit!“

Evgeny schaute mich dankbar, fast schon verzweifelt an! Er legte den schlafenden Artem auf das Gästebett und ich zeigte ihm das Bad. Er drückte mich noch einmal und ich verließ meine Wohnung mit einem Gefühl aus Stolz, Liebe und Angst! Es war wie ein Rausch und trotzdem beunruhigte mich etwas!

Schnell fuhr ich zurück zum Bahnhof. In wenigen Minuten würde bereits der nächste Zug voller Flüchtlinge, voller Schicksale und voller Leid ankommen.

 

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