Vier Monate später. Ein Abend in einer Bar, ein unverhofftes Wiedersehen mit Lucas und dramatische Folgen.
Alpha Männer / Bareback / Bisexuell / Das erste Mal / Gay-Treffs / Große Schwänze / Junge Männer / Muskeln / Romantik
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»Kommst Du, Toby? Wir wollten doch heute wirklich mal wieder ausgehen und Spaß haben.«

Pjotr trommelte bereits nervös mit den Fingern gegen die Badezimmertür.

 

»Ehrlich, ich verstehe nicht, warum ein Mann deines Alters so lange vor dem Spiegel braucht. Du siehst absolut fabelhaft aus. Nun mach schon. Wir sind eh bereits eine dreiviertel Stunde zu spät. Das ist echt nervig.«

»Du bist entnervt?«

Mit aller mir zur Verfügung stehenden Dramatik riss ich die Tür auf und stand wie eine Hollywood-Diva aus den Dreißigern im Rahmen.

»Schau Dir mal meine Stirn an. Bitte! Siehst Du das Horn? Da, zwischen den Augenbrauen? Als hätte man mir ein leuchtend rotes Smartie auf die Stirn geklebt.«

»Ist das nicht Dein übliches Horn?«

Pjotr ließ ein verächtliches pfeifendes Ausatmen zwischen seinen spöttischen Lippen entweichen.

»Oh, danke, Mister Perfect-Skin. Wenn ich Deine Haut hätte, bräuchte ich auch nur fünf Minuten, um so toll auszusehen.«

»Hey, wenn Du nicht dran rumgedrückt hättest, würde es auch nicht so leuchten. Aber komm, schmeiß Dich einfach in einen Sari. Dein Kastenzeichen hast Du ja schon kunstvoll befestigt.«

Pjotr versuchte, mich lachend zu umarmen, aber ich stieß ihn von mir.

»Noch so einen Satz und Du darfst heute gerne allein gehen und Spaß haben.«

Mit meinem besten Beyoncé-Hüftschwung drehte ich mich um und knallte Pjotr die Badezimmertür vor der Nase zu.

»Toby!?!«

»Fick Dich!«

Dann, nach einer kurzen Pause, öffnete ich sie einen Spaltbreit und setzte nach.

»Ach nee, das geht ja nicht. Da bin ich ja für zuständig. Aber, hey, vielleicht findest Du ja in der Abschleppbar einen anderen, sogar echten indischen Stecher für heute Nacht.«

Bums! Tür zu.

»Toby, Du bist zur Zeit echt unausstehlich. Was läuft bitte verkehrt? Sag mir bitte, was ich falsch mache. Seit ich aus Brüssel zurück bin, bist Du ständig gereizt.«

Pjotr öffnete die Tür und kam dicht von hinten an mich ran, während ich mich über das Waschbecken beugte. Seine schönen, schmalen, feingliedrigen Hände legten sich um meine Schultern. Sanft streichelte er damit über meine Oberarme.

»Ist es immer noch wegen Jan Carlos?«

Mit besagtem Jan-Carlos hatte Pjotr während seines Bankerseminars in Brüssel eine kleine Affäre laufen. Also, kein One-Night-Stand so wie ich gelegentlich in Hamburg oder Bremen. Nein, sondern etwas Ernsthafteres. Auch wenn wir uns niemals Exklusivität versprochen hatten, fasste mich sein Geständnis doch heftiger an, als ich es mir und ihm eigentlich zugestehen wollte. Jan-Carlos war, wie Pjotr, ebenfalls ein Sprössling der Gelddynastie. Auch sein Vater war ein hohes Tier im europäischen Finanzwesen. Er selber hatte bereits einen bescheidenen Direktionsposten bekleidet und versuchte nun, in Brüssel fett Karriere zu machen. Mit Pjotr und seinen Ambitionen verband ihn schon mal rein beruflich wesentlich mehr, als ich das je hätte können. Außerdem war er auch noch durchaus attraktiv. Leider. Seine schwarzen Haare wiesen zwar an Stirn und Hinterkopf bereits einen gewissen Schwund auf, aber die paar Fotos, die ich im Netz gefunden hatte, zeigten einen ziemlich begehrenswerten Typen. Da ich selber auch nicht gerade ein Keuschheitsgelübde abgelegt hatte und mich, zumindest im Zug auf meinem Weg von der Arbeit nach Hause, bereits zweimal mit Typen vergnügt hatte, konnte ich nicht wirklich ein Fass aufmachen. Trotzdem nagte eine unterschwellige Eifersucht an mir. Verlustängste oder das Gefühl, minderwertig oder zumindest nicht adäquat zu sein.

»Quatsch! Wegen wem? Kenne ich den?«

Etwas zu auffällig, dachte ich sofort und bekam prompt die Bestätigung. Pjotr zog mich eng an sich heran.

»Toby, ich kann nicht leugnen, dass ich auch mit Jan-Carlos meinen Spaß habe und er mir gefällt. Aber ich bin hier. Bei Dir. Er ist in Brüssel. Wahrscheinlich geht er sogar nächstes Jahr an die Wallstreet. Und ich habe noch mindestens zwei Jahre Studium und Praktika vor mir. Das war, wie bei Dir und diesem dunkelhäutigen Schaffner nur Sex. Geiler Sex, aber mehr nicht. Glaub es mir ruhig.«

Leicht quengelig murmelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart.

»Er ist Security-Mann, kein Schaffner.«

 

»Gut, dann eben Security. Ist doch egal. Könnte mein wunderschöner Prinz sich jetzt mal aus dem Bad losreißen? Ich will Dich auf der Tanzfläche sehen und gewaltig mit Dir angeben.«

»Ja, schon gut, aber ich setze vielleicht doch besser ne Basecap auf, damit mein...«

Weiter kam ich nicht, da Pjotr mich herumriss und seine Lippen heftig auf meine drückte, während er mich gleichzeitig, rückwärts aus dem Bad treibend, in den Flur schob.

»Warte! Schlüssel, Geld und mein Handy brauche ich noch«, schoss ich schnell hervor, bevor er mich zur Wohnungstür herausdrängte.

»Mach Dir keine Sorgen. Ist alles in meiner Jackentasche. Lass Dich einfach treiben, Schatz.«

Mit einer Verspätung von über einer halben Stunde erreichten wir die Reeperbahn. Unsere Freunde, also eigentlich Pjotrs gute Bekannte, Nico und Klaas waren schon vorgegangen und warteten in der Abschleppbar auf uns. Sie hatten uns eine Nachricht zukommen lassen, dass sie zuhause eine Kleinigkeit gegessen hätten und sich lieber gleich ins geile Nachtgetümmel werfen wollten.

Die Abschleppbar war seit Jahren eine der etabliertesten schwulen Bars Hamburgs. Ein wenig ranzig bereits, aber immer noch extrem beliebt. Sowohl bei den Jungen als auch den Älteren und ganz Alten. Und das, obwohl oder weil sie im Grunde genommen klein und beengt war. Am Wochenende konnte man kaum einen Platz bekommen. Die Tanzfläche war winzig, der Tresen auch. Allerdings arbeiteten ziemlich hübsche Kerle dort, die Freitags und Samstags grundsätzlich dazu verpflichtet waren, oberkörperfrei die Trink–und Feier-Laune der Gäste anzuheizen. Obwohl es eindeutig angesagtere Clubs in Hamburg gab, hatten wir uns beide schnell in dieses Etablissement verliebt. Nicht, dass wir zu den Stammgästen zählten, aber einmal im Monat hatten wir es meistens doch geschafft, dort aufzutauchen.

Nico und Klaas hatte Pjotr lange vor mir dort kennengelernt. Gleich zu Anfang seines Studiums, nachdem er die kleine Wohnung in Hamburg bezogen hatte. Die Zwei waren seit fast zwanzig Jahren zusammen. Verheiratet, beide bereits mit Vollglatze und oft im Partnerlook unterwegs. Kein Christopher-Street-Day in Hamburg ohne das Bärchen-Pärchen. Manchmal in der Lederszene, manchmal im rosa Plüsch.

Nico war selbständiger Psychotherapeut, aber auch im Magnus-Hirschfeld-Zentrum als ehrenamtlicher Mitarbeiter tätig. Oft beschrieb er uns die Problematiken seiner Coming-out-Gruppen dort. Häufig Teenager mit Migrationshintergrund, die sich auf Grund ihrer religiösen Familien nicht wirklich trauten öffentlich zu gestehen, dass sie lesbisch oder schwul waren.

Zu Nico hatte ich sofort eine Zuneigung empfunden. Problemlos konnten wir unsere unterschiedlichen Berufe austauschen, die ganze Nacht quatschen und über Politik und Kultur streiten, während Klaas, ein etablierter Innenarchitekt, und Pjotr eher die beiden zügellosen Partyvögel waren. Beide liebten es, den mehr oder auch weniger knackigen Hintern der anderen Gäste hinterherzuschauen und zu lästern.

Das Publikum heute war ziemlich gemischt. Eigentlich wie immer am Wochenende, wenn sich die ganzen Heteros mit ihren Freundinnen einen wirklich schönen Abend in der queeren Szene in Hamburg machen wollten. Die Mädels, weil sie nicht mit blöden Anmachsprüchen rechnen mussten, die Jungs, da sie dort ihre Freundinnen vor der Konkurrenz sicher wähnten. Und natürlich, weil sie mit ihrer Liberalität angeben wollten. Ey, Alter, ich hab noch nie Probleme mit den Schwuppen gehabt. Genau, außer einer greift dir an die Kronjuwelen, würde ich sagen. Im Allgemeinen empfinden allerdings viele Heterojungs es als schmeichelhaft, wenn sie auch von anderen Männern Komplimente und zumindest optische Aufmerksamkeiten erhalten.

Nachdem Pjotr und ich uns in kürzester Zeit jeder zwei Mai Thais genehmigt hatten, waren wir völlig enthemmt auf die Tanzfläche gegangen. Ich selber halte mich nicht gerade für einen begnadeten Tänzer, aber zusammen mit Pjotr und dem wirkenden Alkohol ließ ich mich einfach vom Rhythmus treiben, bis ich nach zirka fünf Songs mit glühenden Wangen und Schweißperlen auf der Stirn zu Nico zurückkehrte. Pjotr und Klaas stürmten bereits wieder den Tresen, um Nachschub zu besorgen.

 

»Schön, Euch so ausgelassen zu sehen.« Nico reichte mir ein Tempotaschentuch, um mich etwas abzutupfen. »Meine Hochachtung, schon mal an eine Teilnahme bei Let’s Dance gedacht?«

Prustend knuffte ich ihm in seinen immer markanter werdenden Bierbauch.

»Nee, Nico, mal abgesehen von mangelnder C-Prominenz, möchte ich mich auch nicht mit meinen zwei linken Füßen zum Vollpfosten der Nation machen.«

»Ach, min Jong«, hamburgerte Nico mir ins Ohr. »Du hast doch andere Qualitäten. Als würde es dabei nur ums Tanzen gehen. Du bist jung, hübsch, gut gebaut und gewitzt. Da ist doch alles für einen klaren Punktsieg Wichtige gegeben. Und für Pjotr gilt das Gleiche. Ihr würde ein so schönes Aushängeschild für die Ehe für Alle abgeben.«

»Das sag besser nicht Pjotr, Nico. Die Ehe ist für ihn ein echtes Reizthema.«

»Ja, ist ja gut. Aber das ändert sich mit den Jahren. Der wird die Vorteile einer rechtsgültigen Verbindung auch noch erkennen. Habt Ihr Euch denn richtig ausgesprochen? Also, Pjotrs Brüssler Affäre und Dein heißer Fick mit dem schwarzen Metronom-Hengst und dem Flesh-Tunnel Hetero?«

»Nenn ihn bitte nicht so. Er heißt Sören und ist hanseatischer als wir vier zusammen. Und von Lucas, dem Flesh-Tunnel, habe ich Pjotr nur am Rande erzählt.«

Nico hob beschwichtigend die Hände.

»Alles gut. War wirklich nicht abwertend oder rassistisch gemeint. Scheiße, Toby. Du solltest mich langsam besser kennen. Wenn Du nicht reden magst, wir sind ja hier, um den Abend zu genießen. Glaube bitte nicht, dass ich erpicht darauf bin, noch eine weitere kostenlose Therapiestunde abzuhalten.«

Sanft strich ich über den grauen Vollbart und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

»Danke, Herr Freud. Komme auf Ihr großzügiges Angebot aber garantiert noch zurück.«

»Was treibt Ihr da?« Klaas und Pjotr kamen mit vier frischen Mai Thais in den Händen zurück. Mit seinem lasziven Schlafzimmerblick raunte mein Freund mit seiner Softporno-Stimme: »Wenn ihr ein Sandwich machen wollt, vergesst nicht: Ich bin der Schinken und der Käse zwischen den Scheiben.«

Klaas räusperte sich. »Hallo? Habt Ihr mich etwa vergessen? Bin ich dabei etwa nur die Salatbeilage, oder was?«

»Als strenger Veganer? Ja, klar, Klaas. Was denn sonst?« Pjotr stieß mit ihm gemeinsam an. »Was ich schon immer wissen wollte, Klaas. Darf man als Veganer eigentlich das Sperma des Anderen schlucken oder nicht?«

»Honey, ich bin doch kein Orthodoxer. Aber dank Nicos altersbedingter Laktoseintoleranz trinkt mein Bärchen auch nur noch Soja - oder Mandelmilch. Dementsprechend ist sein Saft schon fast vegan zu nennen. Aber auch lecker.«

»Könntet ihr zwei Hardcore-Ferkel mal das Thema wechseln? Die Bilder wollen sonst nie wieder aus meinem Kopf raus.«

Lachend wandte ich mich um in Richtung Eingangsbereich. Und da sah ich ihn reinkommen. Mister Bomberjacke. Heute tatsächlich das erste Mal ohne seine übliche Uniform und auch das erste Mal nach unserer nächtlichen Aktion auf dem Dorfbahnhof in Sagehorn. Er hatte ein rostrotes Lederjackett an, eine knallenge Jeans, weiße nagelneue Converse. Auf dem Kopf wieder ein Basecap. Diesmal von einer mir unbekannten amerikanischen Universität. Das weiße T-Shirt, eine Nummer größer als nötig gewesen, ließ seine hübschen dunkelbraunen Nippel, besonders den Gepiercten, trotzdem durchscheinen. Im Schlepptau hatte er eine auffallend stark geschminkte Blondine. War es die Gleiche, die ihn in Harburg abgeholt hatte? Ich konnte es nicht sagen. Vielleicht stand er auch nur auf den immergleichen Frauentyp. Etwas gelangweilt schaute sie sich um. Ganz offensichtlich war sie das erste Mal in der Abschleppbar. Ob das auch auf Lucas zutraf? Keine Ahnung. Auf jeden Fall steuerte er zielstrebig auf den Tresen zu und gab mit Handzeichen zwei Bestellungen auf. Dann drehte er sich zu seiner Freundin um, küsste ihr auf den Hals, als wollte er gleich mal demonstrieren: Ich bin nicht schwul! Macht Euch also bitte alle keine Illusionen!

Einige Blicke blieben auf ihm und seiner Partnerin haften. Ja, ich war definitiv nicht der Einzige, der diesen Kerl attraktiv fand. Ein paar der Stammgäste, teils die uralten, die schon gefühlt bei der Eröffnung, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit dabei waren, aber auch einige Youngsters, die gerade mal volljährig geworden waren, musterten ihn abschätzend von Kopf bis Fuß. Ein Comic-Zeichner hätte lauter Gedankenblasen mit dem Kürzel FF, also Frischfleisch, gefüllt und einige Gäste wären in den Zeichnungen mit heraushängenden Zungen bis zum Boden und einer dicken Beule in ihren Hosen karikiert worden.

 

Selbst mir wurde plötzlich mein starrender Blick auf die Geilschnitte bewusst und ich wandte mich ruckartig wieder Nico, Klaas und meinem Pjotr zu, stieß ihm dabei sein Glas aus der Hand und es ging zu Bruch. Die Leute um uns herum stoben wie wild zur Seite, um ja keinen Spritzer abzubekommen. Die Splitter verteilten sich sternförmig auf der Tanzfläche.

»Scheiße!«, fluchte ich. »Hat’s jemanden erwischt, Leute? Sorry, ich hol Dir sofort einen Neuen, Pjotr.«

»Sag mal dem Service Bescheid, das jemand aufkehrt und wischt«, sagte Nico und kickte mit der Fußspitze eine besonders große Scherbe vom Tanzrondell unter einen der wenigen Tische. »Was ist denn los, Toby? Umwerfend bist Du ohnehin, das musst Du doch nicht auch noch praktisch demonstrieren.«

Ein ironisches Lächeln zog Nicos Mundwinkel hoch und er zwinkerte mir vielsagend zu. Was hatte das zu bedeuten? Hatte er mitbekommen, wen ich da so gedankenverloren angeschaut hatte? Keine Ahnung.

»Bin mal kurz an der Bar, Leute.« Mit diesen Worten eilte ich durch den Durchbruch ins Nebenzimmer zum Tresen.

»Kann ich einen neuen Mai Thai bekommen?«, rief ich dem dunkelhaarigen Kellner, der, dank seiner muskulösen Brust mit dem Nippelpiercing und seinem ausgeprägten Eightpack, für viele Stammgäste ein Grund war, mehr zu bestellen als sie eigentlich wollten. Kluge Geschäftspolitik, wie ich neidvoll anerkennen musste. »Ah, und ich bräuchte noch ein Kehrblech. Kleines Missgeschick nebenan.«

»Mai Thai kommt gleich. Und hier das Blech.« Eine elegante Drehung und ein tiefes Bücken ließ seinen perfekt trainierten Arsch in seiner Bermuda voll zur Geltung kommen. Die Gäste, die direkt am Tresen saßen, hielten fast gleichzeitig den Atem an und vereinzelt konnte man sogar ein leises Seufzen vernehmen.

Nur ich hatte gerade nicht wirklich den Kopf zum Genießen des hübschen Anblicks. Geradezu hektisch schnappte ich mir Blech und Kehrer, kehrte zur Tanzfläche zurück und fing an, die Scherben aufzusammeln.

Pjotr sah mich verwirrt an. »Warum zum Teufel fegst du den Scheiß auf? Lass das doch die Tresenschnecke machen.«

»Hey, ich hab’s verschüttet. Da gehört sich das so.«

Sein Blick wurde immer verständnisloser. »So ein Quatsch, Toby. Die Drinks sind teuer genug. Und wir sind so oft hier. Da musst doch nicht auch noch die Putze machen.«

Klaas nickte zustimmend. »Ohne Leute wie Nico und mich gäbe es den Schuppen wahrscheinlich schon seit Jahren nicht mehr. Du bist echt zu gut für diese Welt, Toby.«

»Ja, mag sein. Nur für mich ist das eine Frage der Kinderstube. Und es ist doch auch kein Aufwand.«

»Wenn es Dir so viel Spaß macht, kannst Du ja nachher gerne unsere Wohnung auch noch grundreinigen.«

»Danke für Eure Mithilfe, Ihr bornierten Pfeffersäcke.«

Es purzelte scherzhaft über meine Lippen, aber ein wenig verärgert und verletzt war ich schon.

»Macht das Ihr Land gewinnt. Ich erledige das jetzt schnell.«

Alle drei gingen mit ihren Drinks auf die andere Seite der Tanzfläche und lehnten sich am DJ-Pult an, während ich versuchte, sowohl Scherben als auch Flüssigkeit aufs Kehrblech zu bekommen.

»Aua!« Ja, war ja klar, dass ich mir eine Scherbe in den Finger hauen musste. Hätte sie ja auch unter dem Ledersessel liegen lassen können, aber: Nein! Von meinem linken Ringfinger floss das Blut über die Handfläche und tropfte jetzt schön zusätzlich in die alkoholische Lache am Boden. »So eine Scheiße!«

Ungeschickt versuchte ich, mit meiner Rechten ein Tempotaschentuch aus meiner linken Gesäßtasche zu ziehen, was, angesichts meiner gebückten Bodenhaltung, sich mehr als schwierig gestaltete.

Nur einen Moment später schwebte ein Taschentuch direkt vor meinen Augen, ich griff dankbar zu. »Danke, Pjotr. Ich kam gerade gar nicht an...«

Den Rest des Satzes verschluckte ich, als ich sah, wer mir gerade gehockt gegenüber saß.

Lucas, alias Mister Bomberjacke, schaute mir direkt in die Augen. Kein Wort sagte er. Wie immer.

»Hey, danke Dir. Äh, ich dachte, also, Du wärst ... äh, jemand anderer. Sorry, ich habe Dich gar nicht gesehen, also, hier hätte ich auch nicht mit Dir gerechnet. Aber danke nochmals.«

 

Lucas zog mich hoch, nahm das Kehrblech in die eine Hand und hielt mit der anderen meinen Arm über meinen Kopf.

»Musst Du hochhalten, bis kein Blut mehr kommt. Wasch aber erst einmal die Wunde aus.«

Damit drückte er mir eine volle Packung Tempos an die Brust.

»Lass mal nachschauen auf der Toilette, ob kein Splitter mehr drin ist. Sonst gibt es ne fette Entzündung. Aber, kleinen Moment noch.«

Damit ließ er mich allein dastehen und brachte das Kehrblech zurück zum Tresen. Verwirrt beobachtete ich, wie er erst mit dem Barkeeper sprach, dann den bereits fertigen Mai Thai nahm, um dann mit seiner blonden Freundin ein paar Worte zu wechseln. Sie schenkte mir einen gelangweilten Blick und setzte sich dann auf einen gerade freigewordenen Hocker. Ein paar Sekunden später war Lucas mit dem Cocktail bei mir.

»Hier, Dein Getränk.«

»Danke, das ist nett von Dir. Hast Du das etwa bezahlt? Dann geb ich Dir ....«

Noch vor Beendigung des Satzes fiel mir ein, dass ich ja, ohne das Portemonnaie einstecken zu können, von Pjotr aus der Wohnung gerissen wurde.

»Warte, ich bin ja mit Freunden da. Der Mai Thai gehört eh nicht mir. Lass mich den kurz rüber bringen.«

Beim Blick zum DJ-Pult sah ich, dass anscheinend keiner meiner Freunde, mein weiteres Malheur mitbekommen hatte. Die Drei lachten und lästerten wie eh und je. Was war denn heute nur los? War ich unsichtbar geworden? Und nur noch der kleine Hetero-Boy konnte mich erkennen?

»Du kannst schon mal aufs WC gehen. Ich bring den rüber. Na los! Mach schon.« Ein Griff und Lucas hatte sich das Glas geschnappt und war zwischen den tanzenden Leuten im Rondell abgetaucht. Er redet. Er redet in ganzen Sätzen. Erstaunlich.

Immer noch verwirrt, ging ich wie ferngesteuert zu den Toiletten im Barbereich. Eine gewaltige Menschentraube wartete direkt davor, aber nicht, um reinzugehen, sondern um sich etwas entfernt von den Musikboxen zu unterhalten. Mit erhobenem linken Arm schlängelte ich hindurch. Der Vorraum mit den Waschbecken war noch fast original wie aus den sechziger Jahren. Das Interieur und das Fliesendesign kannte ich tatsächlich noch von Familienfotos aus der Kindheit meiner Eltern. Endlich erreichte ich ein Waschbecken, schaute mir meinen Finger an. Das Taschentuch war vollgesogen mit Blut und aus dem Schnitt auf der Innenseite des Fingers quoll es sofort erneut.

»Lass mich mal sehen.«

Fast unbemerkt war Lucas neben mir aufgetaucht und griff nach meiner Hand.

»Kannst Du den Finger bewegen und umbiegen?«

Statt eine Antwort abzuwarten, zog er an meinem Finger herum. Außer das noch etwas mehr Blut herausfloss, passierte nichts. Kaum Schmerz und alles war beweglich wie gewohnt.

»Sieht gut aus. Keine Sehne und kein Nerv durchtrennt. Ist also nur oberflächlich. Hier, mach ein neues Taschentuch rum und ich habe ein Haargummi zum Befestigen. Damit geht das fürs Erste. Außer Du hättest Leukoplast dabei.«

Total verblüfft schaute ich ihn an.

»Äh, Du machst das nicht zum ersten Mal, oder?«

Das erste, leicht windschiefe Lächeln des Abends huschte über sein Gesicht.

»Nee, ich bin in Harburg bei der freiwilligen Feuerwehr. Da gehört das zur Tagesordnung.«

»Anscheinend bist Du jetzt mein privater Retter in der Not. Wie letztes Mal im Metronom.«

Mit einem Schlag verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. Wieder war es zu dieser stoischen, undurchschaubaren Maske erstarrt, die ich bereits von unseren anderen Begegnungen kannte.

»Entschuldige, Lucas. Wollte damit jetzt keinerlei unangenehme oder böse Erinnerungen wachrufen. Habe ja gesehen, Du bist mit Deiner Freundin da. Keine Panik. Du musst nicht denken, dass ich Dich jetzt outen möchte, oder so? Aber darf ich Dich was fragen?«

Statt einer Antwort zuckte er bloß leicht mit den Schultern, während er gleichzeitig ein frisches Taschentuch so faltete, dass es exakt die Wunde am Ringfinger abdeckte. Dann zog es das schwarze Haargummi als Fixierung drüber.

»Also, bist Du ... bi? Oder weißt Du es nicht? Gut, es wirkte auf mich auf jeden Fall nicht so, als hättest Du die beiden Male keinen Spaß gehabt.«

 

»So, das dürfte fürs Erste genügen. Vielleicht haben die aber auch einen Verbandskasten hinterm Tresen. Das Haargummi kannst Du behalten. Gehört meiner Freundin. Schönen Abend noch.«

Ohne mich anzusehen, wollte er die Toilette verlassen, aber ich hielt ihn am Arm fest.

»Danke schön, Lucas. Danke für Deine Hilfe. Und ja, Dir auch einen schönen Abend. Aber kannst du mir vielleicht mal sagen, was los ist? In Sagehorn hatte ich nicht den Eindruck, dass wir Dich da zu etwas überredet hätten, was Du nicht wolltest.«

»Ihr habt gesagt: Was in Sagehorn passiert, bleibt in Sagehorn. Was soll also die Frage? Das war da und nur da.«

Erneut versuchte er, sich aus meinem Griff zu lösen, aber es war nur halbherzig.

»Okay. Und was machst du dann in der Abschleppbar? Erzähl mir jetzt nicht, Du und Deine Freundin hättet Euch verirrt. Das hätte ich Dir noch in einem anderen Club abgenommen, aber jedem ist klar, das es sich um eine Schwulenbar handelt, auch Leuten aus Harburg.«

»Keine Ahnung, ob das jedem klar ist. Meine Freundin wollte hier rein. Es ist Samstag Abend und wir bummeln über den Kiez. So what? Seit wann muss man schwul sein, um in so eine Bar zu gehen?«

Gut pariert, war mein innerlicher Kommentar. Da hatte er recht. Gerade am Wochenende befanden sich hier wahrscheinlich genauso viele Heteros wie Schwule. So ein Mist. Und ich wollte ihn ja nur zu einem Geständnis seiner Bisexualität verleiten. War mal wieder mehr der Wunsch der Vater des Gedanken.

»Das ... wollte ich damit gar nicht ...«

»Alles gut. Schönen Abend noch.«

Damit verließ er endgültig den Raum. Was hatte ich mir bloß versprochen? Ein Gespräch hier auf dem Klo? Oder sogar einen Quickie? Und dann noch mit seiner Freundin wartend vor der Tür? Was sollten überhaupt diese verwirrenden Gedanken und Gefühle? Mein Mann und gute Freunde warteten auch draußen. Warum also dieser wortkarge Harburger?

Ich spritzte mir mit der rechten Hand etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Genug damit! Während ich, in Ermangelung von Papierhandtüchern, mir die Hand an der Jeans abtrocknete, trat ich wieder zurück in den Barraum. Lucas stand mit seiner Freundin immer noch an der Bar. Sie, an einem Longdrink nippend, er hielt eine Astra-Keule in der rechten Hand, die lässig an seiner Hüfte lag. Ohne seinen Kopf zu bewegen, fiel sein Blick auf mich und ich meinte, ein fast unmerkliches Nicken zu registrieren.

Der nippelgepiercte Kellner winkte mich heran: »Soll Dir was ausrichten. Deine Freunde wollten wohl dringend was essen gehen und sind ins Alpenglüh’n umgezogen. Du sollst nachkommen. Das war‘s! Okay?«

Ich nickte mit einem süß-säuerlichen Lächeln. Der Kellner hatte sich schon wieder dem nächsten Gast zugewandt. Und ich war angepisst. Warum geht Pjotr einfach so ohne mich? Wer bin ich denn für ihn? Und für unsere gemeinsamen Freunde? War ja nicht so, dass ich jetzt ewig weg war. Kann man da nicht erwarten, dass der Partner kurz auf einen wartet? Sind meine Ansprüche an simple Umgangsformen etwa zu hoch?

»Hey, kann ich ein Astra bekommen?«, rief ich dem Barmann zu. Erst nachdem ich den ersten kräftigen Schluck getan hatte, stellte ich mit Entsetzen fest, dass ich ja ohne Geld ausgegangen war. Ich schob mich an den Tresen und versuchte, den Barmann über meine missliche Lage aufzuklären, als ich Lucas einen Fünf-Euro-Schein rüberreichen sah.

»Geht auf mich«, sagte er, ohne auch nur die Miene zu verziehen. »Hab auch schon mein Geld zuhause gelassen.« Er hob seine Flasche zum Wohlsein an, wandte sich sofort wieder seiner blonden Begleitung zu, die allerdings total vertieft in diverse Messages auf dem Smartphone versunken war.

Die Situation war irgendwie komisch. Da standen wir nun wieder mal nebeneinander. Erneut schweigend, erneut mit einer gewissen Anspannung und Erregung. Ich konnte mir beim besten Willen rational nicht erklären, warum dieser Typ diese eigentümliche Wirkung auf mich hatte.

»Er ist Hetero, Toby. Hetero! Seine Freundin steht neben ihm. Was in Sagehorn und auch vorher im Metronom gelaufen ist, waren eben neugierige zufällige Ausrutscher.«

 

Mein Blick wanderte zu seinem linken Unterarm, der jetzt, leicht mit dem Ellenbogen auf dem Tresen gelehnt, meinen rechten Arm berührte. Das dünne Nappa-Leder seines Jacketts fühlte sich kühl auf meiner Haut an. Kühl und gleichzeitig heiß. Vorsichtig erhöhte ich den Druck, aber anstatt auszuweichen, hielt Lucas die Stellung. Mochte er dieses Spiel? Stand er auf unsere Berührungen? Machte es ihn etwa auch an?

»Kati, Selma und die anderen Mädels werden nicht hierherkommen!«

Eine quietschende schrille Stimme riss mich aus meinen Betrachtungen des Spannungsaufbaus zwischen Lucas und mir.

»Aha! Wieso plötzlich?«

Lucas schaute seine Freundin von der Seite an und zog erstaunt eine Augenbraue hoch.

»Die finden das zu schwul hier.«

Tatsächlich gehörte die Stimme zu ihr. Ohne auch nur einmal vom Display aufzuschauen, tippte sie anscheinend bereits ihre Antwort.

»Zu schwul?« Lucas schüttelte kaum merklich den Kopf. »War es nicht Eure Idee, hierher zu gehen?«

»Ja, aber Ahmet, Justin und so wollen halt nicht zu den Tucken hier. Und ich finde es auch total lame.«

»Lame?!? Hast Du Dich, seit Du hier bist, auch nur einmal umgesehen?«

»Ja, hab ich. It’s boring, Babe, totally lame. Die sind alle jetzt unterwegs ins Nightshift. Let’s go.«

Lucas hob seine Astrakeule.

»Die ist noch fast voll. Hetz mich nicht, ja?«

Zum ersten Mal schaute sie von ihrem Smartphone hoch.

»Scheiße, ist doch egal. Ich habe auch noch nicht ausgetrunken. Schwing Deinen Arsch hier raus, bevor Du Dir noch was einfängst.«

»Einfangen?«

Sie verdrehte jetzt entnervt die Augen.

»Ja, Babe. Aids oder sonst ne Schwulenkrankheit. Und jetzt komm.«

Auf Lucas Stirn zeichnete sich eine fette Zornesfalte ab.

»Hör auf mich zu drängen, Isa! Es war Dein Wunsch herzukommen. Ich will erst noch austrinken. Und vielleicht könntest Du mal aufpassen, was Du so von Dir gibst. Ehrlich gesagt, habe ich keine Lust, jetzt Deinen Mädels und ihren intoleranten Stechern hinterherzulaufen.«

»Was soll das? Willst Du mich etwa allein über die Reeperbahn zur S-Bahn laufen lassen?«

Ihr Tonfall wurde noch gereizter und schriller. Zum ersten Mal schaute sie Lucas direkt an. Von ihm gab es ein kurzes Achselzucken.

»Ich bin nicht Dein kleines Hündchen, Isa! Und ja, wenn Du jetzt zu Deinen Freundinnen willst, dann musst Du allein gehen. Ich hab keinen Bock auf die und keinen Bock auf Deine komischen Launen und Dein dummes Gerede. Und warte besser nicht auf mich. Ich werde heute bei mir pennen.«

Ich konnte nicht vermeiden, gebannt diesem Dialog zu folgen. Es hatte eine gewisse Absurdität. Im Hintergrund wimmerte Rihanna Umbrella und die Tanzfläche wurde gerade richtig voll. Mehrere andere Gäste an der Theke kommentierten die Auseinandersetzung, indem sie Lucas Freundin in Geste und Kopfbewegung nachäfften. Um ihre starkgeschminkten Lippen spielte plötzlich ein extrem harter Zug. Dann warf sie die Haare nach hinten und zischte: »Leck mich, Lucas.«

»Hätte ich auch gerne heute noch gemacht, Isa, aber Du hast mir irgendwie gerade den Appetit auf Dich verdorben.«

Beinahe hätte ich mein Bier durch die Nase wieder ausgespieen. Auf so eine spontane und schlagfertige Antwort war ich bei dem Flesh-Tunnel-Boy nicht vorbeireitet gewesen. Seine Freundin registrierte sehr wohl meine Reaktion und warf ihm und mir einen vernichtenden Blick zu, bevor sie, ohne einen weiteren Kommentar, die Abschleppbar verließ.

 

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